16 – Altarzimmer

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Altarzimmer: Marienaltar (etwa 1480), Taufengel, zwei mittelalterliche Truhen aus Kirchen, Kruzifix, Vitrine mit religiösen Figuren und in Lauterbach gedruckten religiösen Schriften.

Der Lauterbacher Marienaltar

Purpurn rote, smaragdgrüne und strahlend weiße Pigmente spielen zusammen mit vielen weiteren Farben auf den Bildern des Lauterbacher Marienaltars. Szenen aus dem Leben Mariä werden in künstlerischer Manier dargestellt und vermitteln schon in geschlossenem Altar-Zustand, dass dieses prächtige Stück Kunstgeschichte ein Highlight des Museums und Oberhessens ist.
Der Marienaltar wurde in der jetzig erhaltenen Form zu Ende des 15. Jahrhunderts fertiggestellt und bildet somit ein spätes Dokument katholischer, vorreformatorischer Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Lauterbach. Ein Altarist bediente diesen Altar und nahm an seiner statt zahlreiche Stiftungen entgegen, die der Lauterbacher Kirche zu einem großen Wohlstand verholfen haben.
Schon als der Altar noch an seinem angestammten Platz in der alten Lauterbacher Stadtkirche innehatte, bildete er einen Fixpunkt des geistig-kulturellen Lebens. Besonders eindrucksvoll muss er auf die Einwohner Lauterbachs im Spätmittelalter gewirkt haben, die doch verhältnismäßig wenig an Kunst bzw. künstlerischer Kultur partizipieren konnten. Die gemalten Bilder zeugen von hoher Qualität und führten den zumeist nicht schriftkundigen Laien die verlesenen Szenen des Marienlebens vor Augen. In mehreren so genannten Wandlungen repräsentiert der Altar also nicht nur Marienfrömmigkeit, sondern auch den sozio-kulturellen Anspruch des spätmittelalterlichen Katholizismus, dem Volk Partizipation am Glaubensleben zu gewährleisten.
Neben den hochqualitativen Malereien tritt in der letzen Wandlung – also dem vollständig geöffneten Zustand – des Altares die Bildschnitzerei als handwerkliche Kunstform auf. Die geschnitzten Figuren sind in der Kunstform – wenn auch subjektiv schwächer gearbeitet – die Steigerung der gemalten Szenerien. Maria, die Mutter Gottes, wird gekrönt und es treten den Bewohnern Lauterbachs nunmehr nicht nur Figuren des Marienlebens entgegen, sondern Elemente heimisch-empirischer Lebenserfahrung. Da findet sich der heilige Bonifatius, der einst in Fulda den Grundstock für die die Missionierung Osthessens legte; da sitzt der heilige Jakobus – Schutzpatron der Nachbarstadt Herbstein; und da thront Simplicius, seines Zeichens Märtyrer und Wappenfigur im Lauterbacher Stadtwappen.
Alles in Allem versinnbildlicht der Lauterbacher Marienaltar – so still und leblos er uns auf den ersten Blick erscheinen mag – den Willen von Kirche und Volk den transzendentalen Inhalt des Glaubenslebens in die alltägliche Lebenswelt zu translozieren.